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ROLAND BEHRMANN

Das menschliche Leben kann man in seiner Gesamtheit als künstlerische Aufgabe verstehen, als Kunst die vom Geist und dem bewusst gewählten Programm ihres Schöpfers geprägt wird, einem Programm, das sich aus den Bedingungen der Umwelt und der grundlegenden Haltung der betreffenden Menschen zum Leben ergibt. 
– aus der Einleitung aus einem Buch zu Josef Sudek

VERFÜGBARE WERKE 

SCHÖPFERISCHE FOTOGRAFIE - ÜBER DAS WESEN DER DINGE UND IHRE DEUTUNG


 

In einen leeren Raum scheint die Sonne durch das Fenster und lässt uns einige zerknitterte Blatt Papier und Dreck auf dem Boden erkennen. In einem geometrischen Bild erkennen wir auf den zweiten Blick Teile einer Wand oder Decke aus Beton mit kleinen Milchglasfenstern. An einem Fensterloch ohne Glas, dafür jedoch mit Bauschutt stehend, der sich im vorderen rechten Bildrand zeigt, blicken wir auf den anderen Teil des Gebäudes, in dem wir selbst uns befinden. Baufällig ist es, und zeigt gleichwohl die vergangenen Spuren des darin stattgefundenen Lebens: Wir sehen Stühle in Räumen, die Richtung Fenster gerückt sind, stellen uns vor, wie Menschen ehemals an der Balustrade standen. 

 

Es handelt sich hier um vier Bilder aus der Serie “Abschied” des Fotografen Roland Behrmann, die Teil der Ausstellung LINSE AUF//MANNHEIM sind. 

Zu sehen ist auf ihnen das Pauline-Maier-Haus am Luisenpark, das der Architekt Fritz Nathan für die Israelitische Gemeinde Mannheim plante und das 1931 als Altersheim eröffnet wurde. Kurz nach der Entstehung der Bilder wurde das jüdische Heim 2009 abgerissen, Roland Behrmann fotografierte das Abrissgebäude und verfasste darüber seine Magisterarbeit an der Universität Heidelberg. 

 

Die hierbei entstandenen Werke erzählen so in zweierlei Hinsicht eine Geschichte, die über das “Abbild” weit hinausgeht: Das abrissreife Gebäude erzählt gerade durch seinen ruinösen Zustand vom Leben und Wirken darin und es spinnt auch ein Narrativ zu einem Ort, der nun gar nicht mehr existiert und welcher eben genau zum Zeitpunkt kurz vor seinem Verschwinden im Bild eingefangen wurde. Roland Behrmann geht es nicht um die reine Reproduktion des Gebäudes, sondern um das Narrativ, das erzählerische Moment, das diesen Ort kennzeichnet und damit um den Menschen, der seine Bilder betrachtet, den Zuhörer: “Mein Thema ist der Betrachter”, ich versuche über meine Bilder mit ihm in Kontakt zu kommen, ihm erzähle ich Geschichten, manchmal eben auch vergangene. 

 

Der 1954 in Dessau geborene Sohn des Fotodrogeristen Heinrich Behrmann und der Fotolaborantin Margarete Behrmann, begann im Alter von 16 Jahren seine Ausbildung zum Reprofotografen und machte mit 25 Jahren seinen Fotografenmeister. Aus politischen Gründen verlor er seine Stelle und musste aus dem technischen Bereich in einen Handwerksbetrieb wechseln. Sein dortiger Lehrer (von der HGB aus der Leipziger Schule) führte ihn in die künstlerische Fotografie ein. Nach einjähriger Haft als politischer Gefangener der DDR-Hoheit siedelte er 1985 schließlich in die Bundesrepublik über. 

 

Noch zu DDR-Zeiten empfahl ihm ein Freund ein Buch: “Also wenn Du Fotograf werden möchtest, dann musst Du Andreas Feininger (“Die neue Foto-Lehre”) lesen”. Das war dann auch das erste Buch, das Roland Behrmann sich um 1980 aus dem Westen in die DDR schmuggeln ließ. Bereits die ersten Sätze waren sehr prägend für ihn: “Fotografie ist Bildsprache. Die jüngste Gattung der uralten Form bildnerischer Mitteilung [...] Als Gattung, die international verstanden wird, haben wir als Fotografen eine Verantwortung und müssen uns Gedanken darüber machen, ob das, was wir sagen auch wert ist, gesagt zu werden und ob wir es gut ausdrücken können.” Statt Fakten wiederzugeben ging es also um die persönliche Sprache, die man als Fotograf entwickelt, um die Geschichten, die man zu erzählen hat. Der Bildgegenstand tritt zurück hinter der Idee, das Werk ist persönlich. Das Bild zeigt hierbei nicht, was es ist im Sinne eines Abbildes, sondern wird Symbol für eine Geschichte, die es beim Betrachtetwerden in immer neuen Details erzählt. 

 

In seiner DDR-Zeit begegneten Behrmann viele Geschichten (Propaganda), die eine Lüge erzählten und er begann, dem seine eigenen Narrative entgegenzusetzen. Er fotografierte Objekte, die für etwas anderes standen als das was sie “einfach nur” zeigten: Industrie Schaumkronen auf dem Fluss, Vandalismus unter dem Titel “Kulturlandschaft”, Niedrigwasser in der Elbe mit Motorradwracks -  all das verpackt in ein romantisches Bild, das bei genauem Hinsehen einen Bruch aufweist, der das eigentliche Thema zum Vorschein bringt. Der Besuch einer Ausstellung zur französischen Fotografie verfeinerte sein Bild weiter, bei welcher er Größen der Fotografie wie Henri Cartier-Bresson entdeckte. Das sollte also Kunst sein? Auf den ersten Blick waren die Bilder für ihn so alltäglich, die Unschärfe als Stilmittel überraschte ihn.

 

Bis heute arbeitet Roland Behrmann analog. Warum? Es ist etwas, womit er aufgewachsen ist, die analoge Fotografie hat für ihn etwas Sinnliches, er mag die Geräusche des Rollfilms, die Gerüche der Chemie von Anbeginn, sogar der Geschmackssinn, wenn man Baryt im Wasser an der Ecke probiert, ob er ausgewässert ist. Und für ihn ist wichtig, das Bild in der Entwicklung entstehen zu sehen, Teil daran zu haben. Auch ist für Behrmann die analoge Entwicklung eine Kulturtechnik, die er erhalten und an künftige Generationen weitergeben möchte. Zum digitalen Bild sagt er, der die ersten Scanner bereits 1969 in der Reprotechnik kennenlernte: “Das ist für mich kein Bild, sondern nur eine Druckvorlage, kein Original. Eigentlich sind das alles Poster, die wir sehen.”

Gleichzeitig sei die Digitalisierung auch ein Geschenk für die künstlerische analoge Fotografie, denn sie hat sie davon befreit, dokumentarisch sein zu müssen.

 

Die Werke des international beachteten und ausgestellten Fotografen sind in der Regel Unikate, denn letztlich kann für ihn die Fotografie auch nur dann wertvoll werden, wenn sie einzigartig ist. Deshalb zerstört er seine Negative und überträgt so den Status des Originals auf den einen existierenden Abzug, bei welchem das Entwickeln selbst eben Teil des künstlerischen Schaffensprozesses ist. 

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